Professor Dr. med. Hans-Werner Rautenburg

Tief betroffen trauern die Deutschen Kinderkardiologen und viele internationale Kolleginnen und Kollegen gemeinsam mit der Familie um Herrn Professor Dr. med. Hans-Werner Rautenburg, der am 26.08.2013 im Alter von 89 Jahren verstarb.

Die Geschichte und die Entwicklung der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Kardiologie sind ohne Herrn Professor Dr. Rautenburg nicht denkbar. Wir alle haben ihm unendlich viel zu verdanken und er wird stets zum Erinnerungsschatz unserer Gesellschaft gehören.

Nach Medizinstudium in Berlin und Prag sowie Promotion an der Humboldt-Universität zu Berlin kam Herr Professor Dr. Rautenburg sehr rasch an die Universitätskinderklinik der Charité in Berlin und wechselte mit deren Leiter, Herrn Professor Dr. Hartmut Dost an die Universitätskinderklinik in Gießen.

Freundschaftlich gefördert durch seinen Chef befasste er sich intensiv als einer der ersten in Deutschland mit der Kinderkardiologie und begann sehr bald, eine Abteilung zur Behandlung herzkranker Kinder aufzubauen. Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeit waren die rheumatischen Herzerkrankungen sowie die Diagnostik angeborener Herzfehler. 1965 konnte er sich für das Fach „Kinderheilkunde“ habilitieren. Bereits 3 Jahre später wurde er zum wissenschaftlichen Rat und Professor ernannt, mit der Leitung „seiner“ kinderkardiologischen Abteilung betraut und war vorübergehend geschäftsführender Direktor des Zentrums für Kinderheilkunde in Gießen. Unter seiner Leitung nahm die dann selbständige Abteilung für Kinderkardiologie im klinischen und wissenschaftlichen Bereich eine Spitzenstellung ein.

Herr Professor Dr. Hans-Werner Rautenburg war ein fürsorglicher Chef, der stets das berechtigte Interesse seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beachtete und sie nach Möglichkeit förderte. So ermöglichte er auch jungen Mitarbeitern, die Vorbereitung und Durchführung der ersten Säuglings-Herztransplantation in Gießen.

Vor allem war und blieb er stets ein vorbildlicher Arzt mit hohem ethischen Anspruch. Nicht umsonst war er bei Kindern und Eltern bis zu seiner Pensionierung 1989 überaus beliebt und genoss größtes Vertrauen.

Herr Professor Dr. Rautenburg war nicht nur ein neugieriger Wissenschaftler, der seinen Leuten den notwendigen Freiraum zur Forschung gab, wovon neben einer Reihe von Promotionen auch insgesamt 5 Habilitationen zeugen, die er intensiv betreute. Vor allem aber war Herr Professor Rautenburg ein begeisterter und begeisternder Lehrer – gleichgültig ob es sich um Frontalunterricht oder Kleingruppenarbeit am Patientenbett handelte. Er war in der Lehre in hohem Maße engagiert und vermittelte nicht nur fundiertes Wissen, sondern setzte auch ganz bewusst Schwerpunkte im Umgang mit Eltern und Patienten. Bei ihm wurden auch die kinderärztlichen Grundlagen gelehrt und alle Sinne geschult.
Stets aber blieb er ein vorbildlicher Arzt, insbesondere Kinderarzt als „Anwalt des Kindes“.

Herr Professor Dr. med. Hans-Werner Rautenburg kümmerte sich jedoch nicht nur intensiv um seine eigene Abteilung, die Universitätskinderklinik in Gießen und die Medizinische Fakultät, wo er in verschiedenen Ämtern und Positionen aktiv war. Von Beginn an verfolgte er die Vision einer selbständigen Kinderkardiologie und arbeitete auf die Etablierung einer entsprechenden Fachgesellschaft hin.

Regelmäßig nahm er an den pädiatrischen Kreislaufkolloquien teil und organisierte 1968 das 9. Treffen in Gießen. In den Jahren 1968 und 1969 war er maßgeblich an der Erarbeitung einer Satzung für eine „Arbeitsgemeinschaft für pädiatrische Kardiologie e. V.“ beteiligt, aus der dann die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie hervorging. Ganz selbstverständlich wurde er auf der Gründungstagung am 14.10.1969 zum ersten Schriftführer gewählt. Dieses Amt behielt er inne bis 1985 und war dann bis 1987 als erster Vorsitzender für unsere Fachgesellschaft tätig.
1977 leitete er die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Kardiologie in Gießen. Über viele Jahre prägte er die DGPK und die Jahrestagungen.

Die nackten Daten lassen kaum erkennen, wie wichtig und segensreich die Tätigkeit von Professor Dr. Hans-Werner Rautenburg für die Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Kardiologie war. Ohne ihn wäre die Gesellschaft nicht in so kurzer Zeit entstanden und hätte sich die Kinderkardiologie nicht als selbständiges Fach etabliert. Seine stringente Führung der Mitgliederversammlungen ist nach wie vor legendär. Ausschweifende Diskussionen verstand er rasch zu unterbinden. Stets war die Arbeit auf das Wesentliche und die Interessen der Fachgesellschaft konzentriert.
In Anerkennung dieser seiner Arbeit wurde er zum Ehrenmitglied der DGPK ernannt.

Mit Herrn Professor Dr. Hans-Werner Rautenburg verliert die Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Kardiologie einen ihrer Gründungsväter, der tiefe Spuren in der Geschichte der Gesellschaft hinterlassen hat und dessen ehrendes Andenken sie bewahren wird.

Seine ehemaligen Patienten und deren Eltern erinnern sich an einen verständnisvollen, kinderlieben und ehrlich beratenden Arzt. Seine Schüler denken dankbar daran, dass er die „Führsorgepflicht für die nachgeordneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ nicht floskelhaft ansprach sondern in der täglichen Arbeit lebte.

Unsere Anteilnahme gilt insbesondere seiner lieben Frau und der ganzen Familie, für die er stets in großer Führsorge zur Verfügung stand.

Prof. Dr. med. Prof. Dr. h.c. Heinrich Netz