Prof. Dr. med. Peter E. Lange

Prof. Dr. Peter E. Lange hat sich am 17.6.2020 für immer von uns verabschiedet. Mit ihm geht ein Visionär und einer der ganz Großen der deutschen Kinderkardiologie für immer von uns. Es gibt nur wenige, die die deutsche Kinderkardiologie in Deutschland über die Jahrtausendwende so maßgeblich beeinflusst haben,  wie er. Viele Kinderkardiologen sind von ihm geprägt, gefördert und gefordert worden, er war stets an seinen Idealen, Visionen und Zielen orientiert, ohne den Menschen, Patient oder Mitarbeiter aus dem Auge zu verlieren.

Herr Prof. Lange wurde am 15. Juli 1935 in der Nähe Hamburgs geboren und wuchs im hohen Norden Deutschlands in Hohenwestedt in Schleswig-Holstein auf. Sein Vater war niedergelassener Arzt und seine Mutter Hebamme, so war für ihn schon sehr früh sein Berufsziel gesteckt, wollte er doch unbedingt seines Vaters Praxis nach dem Studium übernehmen.

1957 – 1963  Medizinstudium an der Christian-Albrechts-Universität Kiel mit kurzem Gastspiel

1960 -1961 in Berlin an der Freien Universität

1963 – 1964  Medizinalassistentenzeit in Kiel, Rendsburg und Husum

1964 Promotion bei Prof. Dr. Heintzen (Kiel) „Grundumsatz bei Säuglingen im wachen, im natürlichen und medikamentös bedingten Schlaf“ Danach zog es ihn und seine Familie in die USA.

1964 – 1965  Internship am Orange Memorial Hospital in Orange / New Jersey (USA)

1965 – 1971 Baylor University College of Medicine, Houston / Texas.

In den USA hat er den Abschluss eines Internisten und Kardiologen abgelegt, weiterhin seinem Ziel, die Landarztpraxis seines Vaters nach der Ausbildung zu übernehmen, folgend.  In Texas heiratete er und legte mit seiner Frau Karin den Grundstein für seine 6 köpfige Familie. Um nicht zum Militär in den USA eingezogen zu werden, musste er das Land für mindestens zwei Jahre verlassen, was ihn wieder an die Klinik von Herrn Prof. Dr. Heintzen an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel führte, eine der damals renommiertesten Kinderkardiologien in Deutschland.

1971 – 1974  Assistenzarztzeit und 1974 Beförderung zum Oberarzt mit Leitung derinvasiven Herzkatheterdiagnostik in Kiel. Spätestens ab dieser Zeit hat sich Herr Prof. Lange neben großem Engagement für die klinische Versorgung seiner Patienten sehr intensiv wissenschaftlichen Fragestellungen auf dem Gebiet der angeborenen Herzfehler gewidmet. Aus der Schule von Prof. Heintzen stammend, war zu erwarten, dass er sich besonders auf die Quantifizierung und exakten Charakterisierung pathologischer Krankheitsmechanismen konzentrierte. Bereits in den 70-er Jahren erforschte er intensiv die Ventrikelfunktion des rechten und linken Ventrikels und entwickelte in akribischer Fleißarbeit deren exakte Volumetrie und Funktionsanalyse in Maß und Zahl. Im Rahmen seiner Forschungsarbeiten widmete er sich besonders zwei häufigen komplexen Krankheitsbildern, der Fallot ́schen Tetralogie und der Transposition der großen Arterien. Wenn auch inzwischen die ganze Fachwelt davon berichtet, wie eingeschränkt
doch auch die Funktion des linken Ventrikels bei den Patienten mit Fallot ́scher Tetralogie sein kann, speziell wenn eine ausgeprägte bis freie Pulmonalklappeninsuffizienz vorliegt, so war dies in den 80iger Jahren Neuland und bis dato noch nicht wahrgenommen. Am meisten jedoch hatte ihn der rechte Ventrikel fasziniert, der in der Kardiologenwelt „vergessene Ventrikel“.Die Analyse und Entschlüsselung spezieller kardialer Adaptationsmechanismen an akute, subakute und chronische Druck-und/oder Volumenbelastungen waren sein Spezialgebiet und Zentrum seines gesamten wissenschaftlichen und klinischen Lebens.

1983 Habilitation „Quantitative Dextro-Video-Angiographie–Methode und klinische Anwendung“. Diese Habilitation war selbst für die Fakultät in Kiel sehr überraschend, da sie in der Erstfassung das Volumen von1000 Seiten bei Weitem überstieg und sich initial der Analytik des rechten und linken Ventrikels widmete. Die Habilitationskommission in Kiel war auf eine derart umfangreiche wissenschaftliche Erörterungnicht vorbereitet. Die Initialfassung dieser Arbeit wurde keineswegs wegen des wissenschaftlichen Inhalts, sondern wegen eines nicht bearbeitbaren Umfangs abgelehnt. Die Neueinreichung umfasste dann,unter Elimination sämtlicher den linken Ventrikel betreffenden Ergebnisse,nur noch die Analytik der RV -Funktion und wurde dann, wenn auchimmer noch sehr umfangreich,als Habilitationsmonographie für dasGebiet der experimentellen Kardiologie akzeptiert. Nach mehreren Listungen in Berufungsverfahren und einem Ruf nach Frankfurt bot sich Prof. Lange die Möglichkeit in das damalige West-Berlin zu wechseln, welches bis dahinein unscheinbares kinderkardiologisches Inseldasein führte.

1988 erhielt er den Ruf auf eine Universitäts-Professur für Kinderheilkunde mitSchwerpunkt Kinderkardiologie an die Freie Universität Berlin und übernahmdie Leitung der Abteilung Angeborene Herzfehler und Kinderkardiologie am Deutschen Herzzentrum in Berlin.1.4.1988Gründung der Abteilung Angeborene Herzfehler und Kinderkardiologie desDeutschen Herzzentrums (Gründungsmitglieder Prof. Lange, PD Dr. Hausdorf, F. Berger).Als kurzfristiges Ziel hatte er im Rahmenseiner Berufungformuliert, innerhalb von 5 Jahrendiese Abteilung zu einer der wichtigsten Kliniken unter den ersten 5 in Deutschland zu entwickeln und das im damaligenzumindest infrastrukturell isoliertenBerlin. Man hat Prof. Lange damals nur bedingt ernst genommen.Mit Gründung der Klinik für Angeborene Herzfehler am Deutschen Herzzentrum Berlinmussten keine Patienten mit angeborenen Herzfehlern aus Berlin mehr zur Operation nach Westdeutschland verlegt werden. Das Spektrum der klinischen Versorgung und der wissenschaftlichen Arbeit der Klinik für Angeborene Herzfehler entwickelte sich und wuchs rasant. Begünstigt wurde das ganze Projekt durch den Fall der Mauer in Berlin, ein historisches Ereignis, was auch für seine Klinik prägend war. Mit dem Neubau einer eigenenKinderstation neben einer speziellen kinderkardiologischen Intensivstation im Südflügel des Gebäudes des Herzzentrumsim Dezember 1993 war nun auch eine professionelle spezialisierte Einheitentstanden.

1998 rief er das Referenzzentrum für Angeborene Herzfehler im Erwachsenenalter aus und sorgte damit für eine der wichtigen Weichenstellungenzur Entwicklung einer professionellen Versorgung der erwachsenenPatientenmit angeborenen Herzfehlern (EMAH), was späterauchmit einer EMAH Zertifizierung von Ärzten und Abteilungenzum Ausdruck kam.

1998 Gründung der „Brücke für herzkranke Kinder“, womit schwerst erkrankten Kindernaus Bosnien die Möglichkeit gegeben wurde, unbürokratisch zur Behandlung nach Berlin zu kommen. Über 350 Kinder konnten so operiert werden.
Ab Mai 2000 wurde er zusätzlich zur Klinikleitung im Deutschen Herzzentrum als kommissarische Leitung der kinderkardiologischen Einrichtungen der Charité am Campus Mitte und Campus Virchow eingesetzt. 2001 erhielt er das Bundesverdienstkreuz für seine Verdienste im Rahmen der Brücke für Herzkranke Kinder und um die Kinderkardiologie in Deutschland. Im Jahre 2001 gründete er das Register für angeborene Herzfehler, was ab 2003 als Nationales Register für Angeborene Herzfehler e.V. bis heute sehr erfolgreich agiert und mittlerweile eine wertvolle Datenbank von Patienten mit angeborenen Herzfehlern aller Komplexität umfasst. Im Jahre 2003 erlangte er die offizielle Gründung des Kompetenznetzes für Angeborene Herzfehler, eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF geförderte wissenschaftliche Studienplattform, die auf dem Register für Angeborene Herzfehler als Kernstück und wissenschaftliche Datenplattform aufsetzte. Aufgrund der besonderen pseudonymisierten Datenakquise unter Wahrung datenschutzrechtlicher Aspekte waren im Kompetenznetz erstmals auch longitudinale Follow-up Untersuchungen möglich, was sich als wahre wissenschaftliche Schatzgrube für die Welt der Angeborenen Herzfehler in Deutschland darstellte.  Prof. Lange fungierte höchst erfolgreich bis 2002 als Sprecher des Registers und ab 2002 als Sprecher des Kompetenznetzes bis weit über seine Emeritierung hinaus und war Motor und Grundlage des Erfolgs dieses einmaligen Wissenschaftsverbunds.  2004 wurde Prof. Lange emeritiert und übergab nun mittlerweile eine der renommiertesten kinderkardiologischen Kliniken in Deutschland an seinen Nachfolger. Auch wenn er klinischnicht mehr tätig war, fühlte er sich doch der wissenschaftlichen Arbeit auf dem Gebiet der Kinderkardiologie weiterhin sehr verpflichtet und war noch bis 2008 als Sprecher des Kompetenznetzes für angeborene Herzfehler aktiv.

Als Bilanz seines Arbeitslebens lässt sich aufführen: 14000  Kinder und Erwachsene mit Angeborenen Herzfehlern wurden in seiner Amtszeit stationär behandelt, 390 wissenschaftliche Publikationen in peer reviewed meist internationalen Zeitschriften und 24 Buchkapitel, davon wurden 28 mit ihm als Erstautor und 170 als Letztautor veröffentlicht. Sein kumulativer Impactfaktor betrug alleine in der Zeit von 1995 bis 2005 über 400 Punkte. Er hat insgesamt 58 Promotionsverfahren und 12 Habilitationen erfolgreich abgeschlossen.

2007 wurde ihm in Anerkennung seiner Verdienste um die deutsche Kinderkardiologie dieEhrenmitgliedschaft der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler e.V. verliehen.

All dies deutet auf ein überaus erfolgreiches Arbeitsleben hin, sagt aber viel zu wenig über den außergewöhnlichen Menschen Peter E. Lange aus. Seine Patienten und deren Eltern haben ihn geschätzt und geliebt. Sie erlebten ihn häufig als stürmischen, aber stets offenen und freundlichen und immer die notwendige Zeit findenden Mann mit der komischen Sprache, ein Mittelding zwischen Plattdeutsch und Hochdeutsch. Wir, seine Kolleginnen und Kollegen, kannten und schätzten ihn als verdienten und hartnäckigen, immer ansprechbaren „workaholic“ und darüber hinaus als einen der großen Strategen der Kinderkardiologie in Deutschland. Prof. Lange hat es verstanden, sein Gegenüber unmittelbar in seinen Bann zu ziehen, er war ein Meister der Motivation und Integration. Aufgrund seiner ausgeprägten Flexibilität und seines enormen Einfühlungsvermögens in die Situation des ihm
Gegenüberstehenden hatte er nicht nur jederzeit ein offenes Ohr, sondern bot meistens auch Möglichkeiten zur Problembewältigung, ganz egal mit welcher eigenen Problematik ergerade im Augenblick beschäftigt war. Manchmal wild gestikulierend, häufig blumig und wortreich hatte er mit Hilfe seiner für Ihn typischen Zielstrebigkeit und geschicktenVerhandlungstaktik meist Erfolg. Mit ausgeklügelter, manchmal zäher Dialektik, gelang es ihm fast immer, sein Gegenüber zur vordergründig einsichtigen, manchmal aber auch resignierenden Zustimmung zum von ihm vorgeschlagenen Procedere zu bewegen.Prof. Dr. Peter E. Lange war ein Mann mit unglaublicher Hartnäckigkeit, Durchsetzungskraft, Überzeugungskraft, Zielstrebigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Loyalität und unantastbarerIntegrität und einem großen Maß von Humor. Nachwuchsförderung war eines seiner Hauptarbeitsinhalte. Er scharte junge Nachwuchswissenschaftler und junge Ärzte, MTAs und Schwestern um sich, um im Sinne eines Teams seine, und damit unser aller Ziele zu verfolgen, was unverrückbar darauf abzielte, seine Vision der Welt der Angeborenen Herzfehlern zu verwirklichen und zu vervollkommnen und gleichzeitig andere, die mit ihm daran glaubten, teilhaben zu lassen.  Herr Prof. Lange war einer der Ersten in Deutschland, der die Erwachsenen mit Angeborenen Herzfehlern als „Problempatienten-Gruppe“ erkannt hat, die aufgrund ihrer Komplexität der Erkrankung in der Erwachsenenmedizin nur ungenügend abgebildet waren. Auch gegen jeglichen Widerstand in Verbänden, Gremien, selbst in der Deutschen Gesellschaft für Kinderkardiologie war die Gründung des Referenzzentrum für angeborene Herzfehler im Erwachsenenalter hier in Berlin ein Meilenstein in der Strukturierung der medizinischen Notwendigkeiten und Bedürfnisse der EMAH Patienten. Der Weg jedoch, wie Herr Prof. Lange dies erreicht hat, war häufig ungewöhnlich. Prof. Lange war immer jemand, der maximal darauf bedacht war, diesen Weg mit jungen, eigenen Nachwuchskräften aus der eigenen Schmiede und dem eigenen Abteilungsumfeld zu erreichen, diese mit wachsender Verantwortung zu betrauen, reifen zu lassen, um sie dann wiederum für die nächsthöhere Verantwortungsstufe zu qualifizieren.  21 Leitende Arztpositionen im In- und Ausland,  14 Universitätsprofessuren im deutschsprachigen Raum und unzählige niedergelassene Kinderkardiologen in Deutschland stammen direkt oder über Zwischenstationen aus seiner Schule und demonstrieren eindrücklich den Erfolg seiner Vorgehensweise. Hat er von seinen Mitarbeitern stets hohe Leistung abverlangt, so hat er immer Höchstleistung vorgelebt. Es war und ist bezeichnend, und dies charakterisierte ihn als Mensch besonders, dass er zu seinem einmal gegebenen Wort uneingeschränkt stand, koste es, was es wolle, es andererseits aber auch mit gleichem Recht von anderen erwartete. Alldies führte zu einer speziellen „corporate identity“ anhand derer der „Lange-Schüler“ sofort wiedererkannt werden kann. Ungeachtet der Dankbarkeit, der freundschaftlichen, nein besser gesagt fast familiären Beziehung und des ungebrochenen tiefen Vertrauensverhältnisses seiner Schülerinnen und Schüler wird es uns allen ein aufrichtiges Anliegen sein, sein Lebenswerk in seinem und damit unserem Sinne so weiterzuführen, wie er es uns vorgelebt hat. Er war nicht nur ein exzellenter Kinderkardiologe, nicht nur einbrillanter Wissenschaftler, sondern vor allem ein großartiger Mensch.

„Das Schönste, was ein Mensch hinterlassen kann, ist das Lächeln im Gesicht all derer, die an ihn denken.“ [Zitat eines unbekannten Philosophen].

Im Namen der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehlere.V. und aller seiner Schülerinnen und Schüler

Prof. Dr. Felix Berger / Dr. Joachim Hebe / Dr. Jan-Hendrik Nürnberg / Dr. Karl Robert